Vorweg möchte ich mich beim
Bloggerportal und dem Heyne Verlag bedanken, dass mir das Buch als
Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt wurde. Es erübrigt sich zu erwähnen,
dass dies keinen Einfluss auf meine Meinung betreff des Buchs hatte.
“Zerbrochene Sterne“ ist eine Anthologie chinesischer
Science-Fiction-AutorInnen herausgegeben von Ken Liu. Sie beinhaltet 16
Geschichten von 14 AutorInnen, so wie 3 Essays, Anmerkungen und
Kurzinformationen zu den jeweiligen AutorInnen. Gerade die Informationen zu den
AutorInnen, die Essays und Anmerkungen runden das Buch ab, denn sie helfen dem
westlichen LeserInnen, die sich mit der Geschichte Chinas nicht so gut
auskennen, die Stories besser zu verstehen.
Ich bin durch die BookTuberin Wortfieber auf Cixin Liu und die chinesische
Science Fiction Szene aufmerksam geworden. Obwohl direkt meine Neugier geweckt
wurde, traute ich mich an die Bücher nicht ran. Ich hatte Bedenken, dass ich als
Neuling im Science Fiction Genre Schwierigkeiten haben könnte, mich zurechtzufinden,
da mir die Bücher wie Science Fiction für Fortgeschrittene vorkamen. Zudem
hatte ich Vorurteile, meine Erfahrungen mit chinesischen, japanischen,
koreanischen Filmen, Gedichten, Märchen und Sagen haben eine gewisse
Vorstellung vom Aufbau und der Art der Geschichten erschaffen, die nicht so
ganz meinen Vorlieben entsprechen. Bei japanischen Geschichten habe ich
zusätzlich die Erfahrung gemacht, dass mir manches unverständlich bleibt, weil
mir Wissen über die Kultur und Geschichte fehlt.
Zusammengefasst bestand meine Befürchtung darin, nach der Lektüre zutiefst
deprimiert zu sein aufgrund fehlender Happy-Ends und einem Mangel an Wissen,
doch meine Neugier war größer und wurde durch z.B. die BookTuberin Wortfieber,
aber auch andere Science Fiction Literatur immer stärker angefacht.
Ich freue mich meiner Neugier nachgegeben zu haben, denn die Anthologie ist
großartig. Sie hat mich überrascht, zum Lachen gebracht, hat Gefühle der
Bestürzung, Traurigkeit, des Mitgefühls hervorgerufen und mich zum Nachdenken
angeregt.
Ken Liu hat eine hervorragende Auswahl getroffen, und obwohl er sich einfach an
seinen eigenen Vorlieben orientierte, ist es ihm gelungen ein Potpourri an
Facettenreichtum zusammenzustellen, dass nicht nur einen Einblick in den Artenreichtum
der chinesischen Science Fiction, sondern auch für jeden Leser ein
Lieblingsstück bietet.
Manche Geschichten sind sehr leise, ruhig und regen dazu an, sie ein zweites
Mal zu lesen, um nichts zu verpassen. Andere Geschichten sind humorvoll,
skurril, innovativ oder sogar beängstigen und verstörend. Obwohl einige
Geschichten ein Genre-Mix darstellen, ist diese Anthologie ein Musterbeispiel
für Science Fiction Literatur. Die Science Fiction, zu der Utopien und
Dystopien gehören, wurde geschaffen, um Kritik zu äußern, vor Gefahren zu
warnen und Perspektiven aufzuzeigen. All das finden wir in den Geschichten der
Anthologie. Was um so bemerkenswerte ist, wenn man bedenkt, dass Kritik am
Staat oder eine kritische Auseinandersetzung mit der Geschichte in China nicht
gern gesehen ist.
Kommen wir zu meinen persönlichen Highlights. Wer sich nicht beeinflussen
lassen möchte, hört jetzt einfach auf zu lesen.
Meine beiden Lieblingsgeschichten sind “Der Neujahrszug“ und “Gute Nacht,
Traurigkeit“. Zwei Geschichten, die gegensätzlicher nicht sein könnten. “Der
Neujahrszug“ ist humorvoll, schnell und ein bisschen skurril. In “Gute Nacht,
Traurigkeit“ stehen die Themen Depression und Einsamkeit im Vordergrund. Sie
ist leise, berührend und von melancholischer Schönheit. Mondnacht, Der Roboter,
der Quatsch erzählte, Spiegelbild, Brainbox und Salinger und die Koreaner
gehören ebenfalls zu den Geschichten, die mir besonders gut gefallen haben.
Nach gut der Hälfte des Buchs fiel mir ein Trend auf, der sich bis zum Schluss
weiterführte. Von den 14 AutorInnen sind sieben männlich und sieben weiblich
und die Geschichten der Autorinnen haben mir besser gefallen. Sie sind im
Durchschnitt facettenreicher, freier und tabubrechender. In den Geschichten der
männlichen Autoren kommen Frauen entweder gar nicht vor oder sind sehr
stereotyp angelegt. Zudem greifen die männlichen Autoren gern auf derbere
Beschreibungen zurück, was nicht meinen Vorlieben entspricht. Das ist keine
Kritik an den Geschichten oder den Autoren, es ist nur eine Beobachtung.
Wer Lust hat Science Fiction auszuprobieren oder auf der Suche nach neuen
Eindrücken ist, dem kann ich “Zerbrochene Sterne“ nur empfehlen, es ist ein
fantastisches Buch, das man auch mehrmals lesen kann.