Ich bin ein großer Fan von Jonathan Strange & Mr Norell, dementsprechend groß war meine Freude, als ich erfuhr, dass die Autorin einen neuen Roman herausgebracht hat. Freundlicherweise hat mit der Blessing Verlag das Buch als Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt, wofür ich sehr dankbar bin. Wer keine Lust hat die Rezension zu lesen, kann sie sich auch als Video zu Gemüte führen. Link zum Video: https://www.youtube.com/watch?v=J2gYDu9LaFE
Bereits die Zitate zogen mich an, die Überschrift verstärkte noch den Sog und nach den ersten zwei Seiten hatte mich die Geschichte vollkommen gefangen genommen.
Der Protagonist spricht mit dem Leser durch seine Tagebücher und Aufzeichnungen, wodurch direkt eine Vertrautheit aufgebaut wird. Ich fühlte mich nicht wie eine Leserin, sondern wie seine Begleiterin. An der Seite des Protagonisten wandere ich durch Das Haus, Die Welt. Wie es üblich ist für Tagebücher, schreibt der Protagonist von seinem alltäglichen Leben. Was hat er erlebt, was hat er getan, was muss er tun, welche wichtigen Termine stehen an, wie hat er sich gefühlt, was hat er gedacht?
Allerdings unterscheidet sich sein Alltag massiv von dem der meisten Menschen. Er wandert durch riesige Säle, sieht nach den Statuen, die die Säle bevölkern, überprüft den Wasserstand, fischt, sammelt Seetang, kümmert sich um die Toten und all das tut er allein in Dem Haus.
All das klingt jetzt wahrscheinlich ein wenig verwirrend, aber genau darin liegt der Reiz der Geschichte. Der Leser wird in eine Fremde Welt geworfen, die lange Zeit schwer einzuordnen ist. Der Protagonist spricht von Dem Haus und von Sälen, aber auch von Ebbe und Flut, Einem Ozean, der die unteren Stockwerke überflutet. Wie kann das sein? Wir befinden uns in einem riesigen Haus, dass am oder im Meer steht? Wo soll das sein? Träumt der Protagonist, ist er tot, von Aliens entführt worden, was geht das bloß vor sich?
Keine Sorge wir erfahren es im Laufe des Buchs, doch am Anfang war ich sehr irritiert und voller Fragen. Genau diese Irritation macht das Besondere des Buchs aus und hat mich gefesselt. Wenn ich schreibe, das macht das Besondere aus, stimmt das nur zur Hälfte. Der Protagonist ist die andere Hälft. So orientierungslos durch eine Geschichte zu wandern, war für mich am Anfang gruselig. Ich fand die Beschreibungen wunderschön und doch auch unheimlich. Es stellten sich mir die Nacken Haare auf, als der Protagonist mich, den Leser direkt anspricht und mir erklärt, warum er die Tagebücher schreibt. Doch Seite für Seite verlor sich diese unheimliche Atmosphäre und dafür war der Protagonist verantwortlich. Seine Perspektive, seine Gedanken, seine Begeisterung und seine Warmherzigkeit haben die beklemmende Atmosphäre schnell vertrieben und ich fühlte mich einfach wohl bei ihm.
Piranesi ist ein außergewöhnliches Buch, was wahrscheinlich nicht die breite Masse ansprechen wird, obwohl es teilweise etwas von einem Spannungsroman hat, denn im Laufe der Geschichte erfahren wir mehr über Das Haus und unseren Protagonisten, was einige Gefahren heraufbeschwört. Trotzdem steht das Nicht-Wissen im Vordergrund. Der Leser weiß lange nicht, wo er sich befindet, wer der Protagonist ist und was das Ganze soll, das muss man mögen.
Ich fand das Buch genial, mitreißend und es ist jetzt schon ein Jahreshighlight für mich, trotzdem empfehle ich euch, werft erst ein Blick ins Buch oder lest die Leseprobe und entscheidet dann, ob das Buch etwas für euch ist. Alles andere wäre der Geschichte und dem Protagonisten gegenüber unfair.
Piranesi von Susanna Clarke erschienen im Blessing Verlag
Blick ins Buch: https://www.amazon.de/Piranesi-Roman-Susanna-Clarke-ebook/dp/B086VTQS7D/